Titel
Carbonfaser-Kettenblatt
Thema
Entwicklung und Fertigung eines ultraleichten, ultrastabilen Kettenblatts für Rennräder aus einer Carbon-Endlosfaser mittels der 3D-Skelett-Wickeltechnik.
Zusammenfassung (1500 Z)
Die 3D-Skelett-Wickeltechnik (3DSW) ist eine neuartige, sich noch in der Forschung befindende Technologie, Fasern, vor allem Carbonfasern, zu verwickeln und in die gewünschte Produktform zu bringen. Das Faserbündel wird von seiner Rolle abgerollt und mit einem Epoxidharz imprägniert um danach in einem gewissen Muster um Pins, die in einer gewünschten Produktform angeordnet sind, gewickelt zu werden. Die Endlosfasern werden ausschließlich in Belastungsrichtung des Produktes verwickelt. Wenn das Harz ausgehärtet ist, sind die Fasern in ihrer gewickelten Form erstarrt und das Faser-Produkt kann von den Pins abgenommen werden. Dadurch entsteht ein ultrastabiles, der Produktform entsprechendes 3D-Faser-Skelett. Carbonfasern sind in etwa 3 mal reißfester als Stahl. Die Vorteile eines in Carbonfasern gewickelten Produktes gegenüber eines herkömmlichen Produktes wie z.B. aus Stahl sind vor allem die enorme Gewichtsersparnis und eine erhöhte Stabilität in Belastungsrichtung. Es wird nur so viel Carbonfaser verwendet wie absolut nötig um eine überlegene Produktstabilität zu erreichen.
Mit der 3D-Skelett-Wickeltechnik ist es möglich, mechanische Bauteile zu fertigen, welche in ihrer Anwendung enorm belastet sind und auch eine sehr präzise Maßhaltigkeit verlangen.
Das entwickelte und gefertigte Carbonfaser-Kettenblatt ist eine maßliche Kopie eines „Shimano Kettenblatt Dura-Ace FC-7800 53 Zähne LK 130 mm aus Titan“. Das Titan-Kettenblatt wiegt 200g, das Carbonfaser-Kettenblatt 42g.
Motivation, Fragestellung/Zielsetzung (900 Z)
Im Fahrrad-Rennsport ist maximale Effizienz und Leichtigkeit das Maß aller Dinge, jedes Gramm zählt. Das macht die 3D-Skelett Wickeltechnik dafür unmittelbar außerordentlich attraktiv aufgrund der Krafteinsparungen durch das stark reduzierte Gewicht. Die Einzige Komponente des Rennrads, die noch immer aus Metall ist, ist der Antrieb. Das einfachste und austauschbarste Bauteil des Antriebs ist das Kettenblatt direkt an der Tretkurbel. Bei Tour-de-France Fahrrädern ist dieses standardmäßig aus Titan.
Die Fragestellung des Projektes war, ob es möglich ist, ein so komplexes Produkt wie ein Rennrad-Kettenblatt mittels der 3DSW herzustellen, welches über dieselben mechanischen Eigenschaften verfügt wie ein Titan-Kettenblatt
Ziel war die Entwicklung und Fertigung eines funktionsfähigen Carbonfaser-Kettenblatt-Prototypen, das mit einem Fahrrad gefahren werden kann.
Vorgehensweise (Ablauf von der Idee bis zum Ergebnis/Produkt; Konzepte, Methoden, Arbeitsschritte) (4500 Z)
Um ein Produkt nach der 3D-Skelett-Wickeltechnik zu fertigen ist folgendes Vorgehen vorgesehen:
Das Produkt wird mittels Zugvektoren modelliert und auf die Strecken mit der größten Zugbelastung in seiner späteren Funktion reduziert. Im Vorfeld wird hierzu eine produktspezifische Wickelform mit Pins konstruiert, diese Pins entsprechen dabei lediglich den Umlenkpunkten der zugbelasteten Strecken des Bauteiles.
Anschließend muss ein Wickelplan konzipiert werden, der vorgibt, in welchen Muster die Endlosfaser in Richtung der Zugvektoren verwickelt werden soll. Der Wickelplan muss so konzipiert werden, sodass sich das Produkt aus einer einzigen Endlosfaser fertigen lässt.
Ausgangspunkt für das Projekt war ein gebrauchtes Titankettenblatt der Tour-de-France. Dies diente als maßliche Vorlage für das zu entwickelnde Produkt.
Bei der Erstellung der Wickelform wurde das Titan-Kettenblatt an seinen Befestigungsstellen auf eine 25*25*0,6cm Aluminiumplatte geschraubt, um es dort zu fixieren. Das Kettenblatt wurde abgezeichnet und alle nötigen Markierungen für die Positionen der Pins gesetzt. Anschließend wurde in jede Markierung die entsprechende Bohrungen vorgenommen. In diese Bohrungen kamen zugeschnittene Carbonfaser-Röhrchen, sog. Inserts. Ihre Funktionsweise ist gleich der von Metallpins, sollten aber nach dem Aushärten in dem fertigen Skelett verbleiben.
Das aktuellste Kettenblatt ist der 6. Prototyp. Alle Fertigungsweisen dieses Prototypen basieren auf dem durch die vorherigen Prototypen erworbenen Wissen.
Der Fertigungsprozess 6. Prototypen benötigte 2 Personen und verlief wie folgt:
Einstreichen der Wickelform wird mit einem Trennmittel, das ein Haften des Epoxidharzes an ihr verhindert. Epoxidharz und Härter wurden angemischt. Eine Person muss die Carbonfaser abrollen und mit einem Pinsel mit Epoxidharz einstreichen. Damit ist die Faser optimal mit Epoxidharz imprägniert. Die Zweite Person bringt händisch die Faser in das gewünschte Muster und wickelt sie um die Pins/Inserts der Wickelform.
Nach dem Verwickeln der Faser wurden Metallhülsen auf die Pins/Inserts aufgesteckt mit einem Hülsen-Innendurchmesser der genau dem Durchmesser des entsprechenden Inserts/Pins entsprach. Anschließend wurde eine weiche Holzplatte und ein Filz auf alle Hülsen gelegt, um diese mit Schraubzwingen gleichmäßig nach unten zu drücken. Somit wurden die Umwicklungspunkte der Pins/Inserts gleichmäßig komprimiert und alle Zähne auf eine gleichmäßige Breite reduziert. Damit ein Kettenblatt auf eine Kette passt, dürfen die Zähne maximal 2mm breit sein.
Nach Beendigung des Wickelprozesses, wird die Wickelform in einen Haushaltsofen geschoben, in dem das Epoxidharz für 30min bei 170°C aushärtet.
Anschließend lässt man die Wickelform auskühlen, um danach das Faser-Skelett mit Vorsicht von ihr zu lösen.
Um zusätzlich die Torsionssteifigkeit zu erhöhen, wurde eine zusätzliche Faserschicht an das bereits Ausgehärteten Kettenblatt um die Inserts gewickelt.
Nach dem Abtrennen der Überständer der Inserts mit einer Diamantschleifscheibe, hatte man schließlich das fertige Produkt.
Man beachte, dass die Fertigung des Prototypen in etwa 10 Stunden gedauert hat, Vorbereitungszeit nicht mit einberechnet.
Eigens für das Kettenblatt wurde eine Dauerlauftestmaschine erbaut, bestehend aus einem Fahrrad, an dessen Tretkurbel ein Akkuschrauber-Motor befestigt war, sowie ein Netzteil mit einer Taktgeber-Zeitschaltung.
Mit diesem Testaufbau konnten sowohl primitive Dauerläufe (konstantes Drehen des Motors), als auch Beschleunigungsläufe (Hochbeschleunigen des Motors und wieder abschalten durch die Zeitschaltung) mit dem Kettenblatt durchgeführt werden. Es überstand bis jetzt 2 Stunden Dauerlauf und mehr als 5 Stunden Beschleunigungslauf.
Zusätzlich hält es großen Belastungen stand. In einem mittelschweren Gang konnte problemlos eine Anhöhe mit ca. 25% Steigung mehrfach überwunden werden.
Abnutzungsspuren am Kettenblatt sind bislang keine zu erkennen. Der Prototyp lässt sich zusätzlich in begrenztem Umfang schalten. Zu schräger Kettenverlauf führt zum Abspringen der Kette, allerdings nicht zu Schäden am Kettenblatt. Für optimales Schalten fehlt dem Kettenblatt die nötige Zahngeometrie. Die bisherigen Tests weisen auf eine zum Titan-Kettenblatt vergleichbare Steifigkeit hin. Das Gewicht der Carbonfaser-Kettenblatts beträgt 42g.
Das aktuelle Kettenblatt wurde nicht bis an seine Belastungsgrenzen getestet, um dem Risiko, das einzige vorzeigbare Kettenblatt zu beschädigen, zu entgehen.
Diskussion des Ergebnisses/Ausblick auf weitere Arbeiten (Wofür ist Dein/Euer Ergebnis möglicherweise wichtig, wofür kann es gebraucht, eingesetzt oder verwendet werden?) (1800 Z)
Das aktuelle Carbonfaser-Kettenblatt zeigt, dass es möglich ist mittels der 3D-Skelett-Wickeltechnik komplexe Produkte mit hohen mechanischen Ansprüchen zu fertigen.
Das Kettenblatt lässt sich ohne Probleme an die Tretkurbel montieren. Die Kette läuft im richtigen Gang auf dem Kettenblatt einwandfrei und es ist möglich begrenzt zu schalten. Ein Bruch ist bei Normalbelastung des Kettenblatts nicht mehr möglich. Das Kettenblatt hält abrupten Schlägen durch das Beschleunigen mit der Tretkurbel stand. Die Lauffläche des Kettenblatts nutzt sich nicht sichtbar ab. Größere Belastungen auf das Kettenblatt, wie Bergfahrten, sind ebenfalls möglich.
Im Weiteren soll der aktuelle Prototyp auch ausgedehnten Belastungstests unterzogen werden. Der nächste Schritt ist die Fertigung einer neuen Wickelform, welche das Anpressverfahren präziser und einfacher gestaltet. 2 Platten mit einer Einsenkung in Form des Kettenblatts sollen dabei Aufeinandergepresst werden. Wenn die Platten aufeinanderliegen, sind die gewickelten Fasern bereits perfekt in Form gepresst.
Zudem soll der Wickelprozess teilautomatisiert werden. Ein Roboterarm soll das mühsame und zeitintensive Wickeln übernehmen. Dafür muss ein komplett neues Wickelsystem aufgestellt werden mit einer automatischen Faser-imprägnier-Anlage und einer geeigneten Faserdüse und Faserführung für den Roboterarm.
Das aktuelle Carbonfaser-Kettenblatt ist um 158g leichter als ein High-Tech Tour de France Titan-Kettenblatt. Gerade im Radsport ist Effizienz und Leichtigkeit das Maß aller Dinge und jedes Gramm zählt, daher wäre das Kettenblatt eine perfekte Anwendung für Hochleistungsradsportler. Vor allem bei der olympischen Disziplin Bahnradrennen, bei der die Fahrräder nicht schalten müssen, wäre eine Anwendung möglich.
Kooperation mit dem Schülerlabor (Wobei oder womit hat Dich/Euch das Schülerlabor bei der Projektarbeit unterstützt?) (900 Z)
Der Vorstand der Offenen Jugendwerkstatt (OJW), Prof. Dr. Peter Eyerer, ist direkter Betreuer für das Carbonfaser-Kettenblatt-Projekt und renommierter Wissenschaftler für Kunststoffe. Durch ihn konnte das Projekt mit exzellentem fachlichem Rat vorangebracht und mit Fördergeldern gespeist werden.
Die OJW steht mit dem Fraunhofer ICT eng in Kontakt, an dem ebenfalls die 3DSW erforscht wird. Viele der teuren Materialien, die für das Projekt verwendet wurden, waren bereits vom ICT kostenlos zur Verfügung gestellt, oder konnten mit Fördergeldern bestellt werden.
Da der Kontakt von Herr Eyerer zum ICT sehr nah ist, konnte auch fachlicher Rat von Wissenschaftlern, die Experten auf dem Gebiet faserverstärkte Kunststoffe und Kettenblätter sind, eingeholt werden.
Mit den Maschinen der Metallwerkstatt war die Herstellung aller nötigen Teile für die ersten Prototypen gut möglich.
Reflexion (Welche Probleme gab es? Was hat es Dir/Euch gebracht? Worauf bist Du/seid Ihr stolz?) (900 Z)
Vollständig aus Carbonfasern gefertigte Kettenblätter sind noch nicht auf dem Markt verfügbar und schon gar nicht gefertigt in der 3D-Skelett-Wickeltechnik.
Die hierfür geeigneten Fertigungsschritte wurden im Rahmen des Projektes praktisch und systematisch erarbeitet und getestet. Anfangs konnte niemand präzise sagen, wie sich ein Kettenblatt mit dieser Technologie fertigen lässt oder wie es sich in seiner Anwendung verhalten würde.
Die gesamte Vorgehensweise basierte allein auf den Überlegungen und logischen Schlussfolgerungen aus den Versuchen und Tests.
Das Projekt hat mir das große Potenzial der 3DSW offenbart und ich konnte mir ein großes Netzwerk zu Forschungseinrichtungen und Wissenschaftlern aufbauen.
Ich bin stolz etwas geschaffen zu haben, was es noch nie zuvor gegeben hat und vielleicht den Radsport und andere Ultraleichtbau-Anwendungen revolutionieren könnte.
Noah Bannert